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Die Sage vom Tüfelswägli

Wir sind 2011 in Turgi ins neuerstellte Limmathaus eingezogen, dieses Haus ist eines der im Nachgang zum Wakkerpreis gebauten Objekte. Es steht vermutlich da, wo früher das Haus des Fährmanns stand, beim Bau kamen alte Kalksteinblöcke einer Grundmauer zum Vorschein, die heute in unserem Garten und vor dem Haus überlebt haben. Nachdem das alte Haus abgerissen worden war, lag da ein Stück verwahrloste Wiese mit Büschen und Bäumen, über die ein Trampelpfad führte, den die Angestellten der ABB ennet der Brücke benutzten, um schneller an die Arbeit und in den Feierabend zu Kommen.

Wir haben uns bewusst Turgi als Wohnsitz für’s Alter ausgesucht wegen der guten Bahnverbindungen, den Einkaufsmöglichkeiten (damals auch noch Arzt und Apotheke und Restaurants), der Lage am Wasser und der regen kulturellen Angebote. Als wir eingezogen waren stellte ich ausserdem fest, wie viele Leute in Turgi wohnten, die ich bereits von anderen Aktivitäten im Bezirk kannte. So fühlte ich mich hier von Anfang an wohl. Da mich auch die Geschichte von Turgi interessierte, kam mir entgegen, dass die Gemeinde sogar Literatur dazu hatte, in die ich mich genüsslich vertiefte.

Eines Nachts besuchte mich der letzte Fährmann im Traum: er freue sich, dass hier jemand wohne, die sich für die Vorzeit interessiere, als Turgi noch Sumpfgebiet war, als er hier am Limmatufer fast der einzige Bewohner war und das Limmatknie erst gerade anfing, der Gründergeneration der Industrie als geeigneten Standort für ihre Fabriken aufzufallen. Er wolle mir deshalb eine Sage anvertrauen, damit sie der Nachwelt erhalten bleibe: die Sage vom Tüfelswägli.


Die Sage vom Tüfelswägli

Eines Tages kam der Teufel von der Baldegg her zum Gebenstorfer Horn und besah sich voller Wohlgefallen das Gebiet im Wasserschloss. Er überlegte, wo wohl noch ein paar trübe Seelen zu holen seien …

Als er nach Gebenstorf blickte, sah er die zwei Kirchen und es schüttelte ihn vor Grausen. Dann sah er nach Turgi und da gefiel es ihm wohl, denn da stand nur eine kleine Kapelle, verloren am Strassenrand. Ausserdem sah er grosse Fabriken und prunkvolle Villen neben Arbeiterhäusern, um die herum es nur so wuselte. Fabriken bringen Geld und Geld macht gierig, das gefiel dem Teufel. Und da, wo Leute so dicht aufeinander wohnten wie in den Arbeitersiedlungen kamen Streit, Trunksucht und andere dem Teufel einträgliche Sünden vor. Um dahin zu gelangen, musste er allerdings durch den Weiler mit den Bauernhöfen unter dem Wald, da war einerseits die Kapelle, um die wollte er einen grossen Bogen machen. Auch die Höfe machten ihm weniger Sorge, irgendwo herrscht auch in den Weilern Neid und Missgunst. Er roch sich also durch die sündigen Wellen, die ihm vom einen oder anderen Feld entgegenkrochen und kam an die Landstrasse, von wo er in den Industriepfuhl absteigen wollte.

Aber oh weh, da war kein Weg und die Wand war steil. Der Teufel liebt keine Umwege und er ist kein geübter Kletterer. Da erspähte er zwischen den Dornensträuchern einen schmalen Trampelpfad. Freudig marschierte er darauf los. Der Tag war drückend heiss und der Teufel kam in Schwitzen ob seiner Wanderung: er dünstete arg nach Pech und Schwefel. Unten an diesem Trampelpfad wohnte aber ein rechtschaffener und gottesfürchtiger Bürger, der das Kommen des Teufels witterte, denn die drückende Hitze trieb Schwaden von Schwefelgeruch durch seinen Garten. So traf es sich gut, dass der Mann um sein Haus herum allerlei Glocken hängen hatte, die ihm wegen des himmlischen Klangs so gefielen. Er liess sie alle gleichzeitig heftig läuten.

Die Bewohner vom Wil kamen zusammen zur Landstrasse, um zu sehen, woher das Geläut kam. Böses ahnend hatten sie sich mit ihren Heugabeln gerüstet. Vom Dorf und aus den Fabriken stürmten Arbeiter, Vorarbeiter und Fabrikherren gleichermassen auf den Hang zu, bewehrt mit Eisenstangen, Spindeln und aller Art Werkzeug.

Der Teufel sass in der Klemme. Er beschloss, zu warten, bis sich der Aufruhr gelegt hatte und verhielt sich ganz still. Die Wiler stellten oben und die Dörfler unten am Trampelpfad eine bewaffnete Wache auf.

Von der Wärme und dem schwefligen Schweiss des Teufels aber wuchs das dornige Unkraut schnell und packte den Teufel nach und nach in ein grünes, dorniges Dickicht ein, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. So sass er da manches Jahr und versperrte den Weg der Wiler ins Dorf und umgekehrt und sie mussten einen grossen Umweg machen, um zueinander zu finden.

An einem sonnigen Ostertag beschlossen die Turgemer gemeinsam, dem ungebetenen Gast den Garaus zu machen. So schickten die Wiler zehn unschuldige Kinder und die Dörfler zehn unschuldige Jungfrauen aus, bewehrt mit Glöcklein und kleinen Kreuzen. Gemeinsam stiessen die Kinder und die Jungfrauen den Teufel den steilen Hang hinab und da er ganz unbeweglich und eingerostet war, zerschellte er unten auf der Wiese und verdampfte in einem grauslichen Gestank von Pech und Schwefel.

Die Turgemer beschlossen, sollten sie jemals eine eigene Pfarrkirche bekommen, würde sie dort gebaut, wo der Teufel verdampft war. Sie konnten den Trampelpfad zueinander nun wieder nutzen und im Andenken an diese Geschichte heisst er heute noch Tüfelswägli.

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